Trigger-Warnungen: Zur Politisierung eines traumatherapeutischen Konzepts
In welchen auch subtilen Formen sich Herrschaft und Gewalt zeigen, wie sich verschiedene Ebenen von Ungleichheit überlagern, wie alle Beteiligten in sie verstrickt sind, sie jede Faser unseres Körpers durchziehen und wie gesellschaftliche Widersprüche noch die Widerstandsformen durchwirken, lässt sich nur analysieren in einem kritischen Sicheinlassen auf die Abgründe gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Beziehungen und Konflikte, eine Auseinandersetzung, die für alle Seiten schmerzlich ist. Schmerzlich ist sie aber meist für die sozial Schwächeren und von Gewalt Betroffenen in besonderem Maße, ein Dilemma, das sich nicht auflösen lässt. […]
Die Bemühungen um Safe Spaces müssen wohl, gerade angesichts der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Dynamiken, die bei Linken und von Diskriminierung Betrofffenen verständlicherweise massive Ohnmachtsgefühle auslösen, auch als Ersatzhandlungen für politische Kämpfe gesehen werden, die auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zielen. Sie setzen auch da an, wo gerade noch Veränderungschancen gesehen werden: Im Kampf um Repräsentationen, Wörter und Bilder, ein Kampf, der aus einer emanzipatorischen Perspektive zwar wichtig ist, aber nicht ausreichen kann. Auch wenn sich Gewalt immer wieder durch Sprache vermittelt und Bilder unsere Wahrnehmung strukturieren, sind materielle Strukturen, welche Diskriminierungen und Gewalt stützen, doch nicht automatisch dadurch verschwunden, dass man anders über sie spricht.
Die alleinige Konzentration auf potenziell verletzende Darstellungen, die sich in gewissen studentischen Äußerungen zeigt, öfffnet auch die Tore dafür, dass in den Kämpfen noch ganz andere Bedürfnisse ausgelebt werden können, nämlich tatsächlich dasjenige, sich gar keinen kritischen Auseinandersetzungen stellen zu wollen.
Dies zeigt sich spätestens da, wo religiöse Fundamentalist_innen aller Couleur erklären, dass sie von religionskritischen Positionen oder Darstellungen gleichgeschlechtlicher Sexualität getriggert würden. Auf die Gefahr, dass (auch juristisch geführte) Klagen in diese Richtung zunehmen und der Kampf gegen Diskriminierung zum Bumerang wird, sobald die Auseinandersetzung mit potenziell triggernden Stoffen institutionalisiert und zur Aufgabe von Universitätsleitungen und Gerichten wird, verweisen auch einige Kritiker_innen des Trigger-Warnungsdiskurses: Die Angst vor juristischen Auseinandersetzungen führe dazu, dass kontroverse Themen gar nicht mehr berührt werden. […]